Carl Ulrich

Carl Ulrich (1870)

Carl Ulrich (* 28. Januar 1853 in Braunschweig; † 12. April 1933 in Offenbach am Main) war ein deutscher Politiker und erster Staatspräsident des Volksstaates Hessen (1919–1928).

Leben und Wirken

Ulrich wurde als Sohn eines Schusters geboren und erlernte zunächst das Handwerk des Metalldrehers. Ab 1872 ging er auf Wanderschaft, die ihn schließlich nach Mannheim und Offenbach am Main führte. Während dieser Wanderschaft nahm er erstmals intensiven Kontakt zur Arbeiterbewegung auf. Dabei trat er in Augsburg erstmals öffentlich als Redner auf.

1875 nahm er als einer der jüngsten Delegierten am Gründungsparteitag der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands teil. 1875 wurde Ulrich hauptberuflicher Redakteur der sozialdemokratischen Neuen Offenbacher Tageszeitung, später auch Geschäftsführer der Genossenschaftsdruckerei.

Er vertrat in den Jahren 1885 bis 1896 in vier Wahlperioden den Wahlbezirk der Stadt Mainz in der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.

Offenbacher Abendblatt

1885 wurde Ulrich gemeinsam mit Franz Jöst als erster Sozialdemokrat in den Landtag des Großherzogtums Hessen-Darmstadt gewählt, dem er bis 1931 angehörte.

1886 fand zwischen dem 26. Juli und 4. August infolge der Sozialistengesetzgebung vor dem Landgericht von Freiberg in Sachsen der sogenannte „Geheimbundprozess“ statt. Angeklagt wurden führende Parteimitglieder, denen man vorwarf an einer geheimen Verbindung beteiligt gewesen zu sein. Ignaz Auer, August Bebel, Karl Frohme, Georg von Vollmar, Louis Viereck und Carl Ulrich wurden zu jeweils neun Monaten und eine Reihe weiterer Angeklagter zu jeweils sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Anschließend übernahm er die Genossenschaftsdruckerei und wurde Geschäftsführer und Herausgeber des Offenbacher Abendblattes. Bis Ende der 1880er Jahre stieg er zum unbestrittenen Parteiführer der hessischen SPD auf. Von 1890 bis 1903 sowie wiederum ab 1907 bis 1930 gehörte er auch dem Reichstag an. Von 1896 bis 1918 war er zusätzlich Stadtverordneter Offenbachs.

Ministerpräsident Hessens

Carl-Ulrich-Jugendherberge in Zwingenberg
Carl-Ulrich-Brücke in Offenbach am Main
Grab von Carl Ulrich

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde Ulrich am 21. Februar 1919 zum Ministerpräsidenten des Volksstaates Hessen gewählt. Nach dem Inkrafttreten der neuen Landesverfassung[1] wurde er am 16. März 1920 zum Staatspräsidenten, der neuen Bezeichnung des hessischen Staatsoberhaupts, vereidigt. Während seiner Amtszeit wurde in Hessen-Darmstadt u. a. die allgemeine Volksschule eingeführt. Im Jahr 1928 übergab er, schon 75-jährig, das Amt des Staatspräsidenten an den Sozialdemokraten Bernhard Adelung.

Er war der am längsten amtierende Mandatsträger (wenn man die Reichs- und Landesebene zusammenzählt), vor August Bebel und Richard Stücklen.

Carl Ulrich starb im Offenbacher Stadtkrankenhaus. Er liegt auf dem Alten Friedhof in Offenbach am Main begraben. Nach ihm wurde die Mainbrücke zwischen der Offenbacher Innenstadt und Frankfurt-Fechenheim, die Carl-Ulrich-Brücke, die Carl-Ulrich-Siedlung in Offenbach sowie die Carl-Ulrich-Jugendherberge in Zwingenberg benannt.

Literatur

  • Bernd Braun: Ulrich (bis 1856 Eltze), Carl Theodor Johann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 614 f. (Digitalisat).
  • Thomas Lange: „Wir sind noch nicht so weit“ – Carl Ulrich – Vorkämpfer für soziale Demokratie im hessischen Landtag – Reden 1888–1919. Hessische Schriften zum Föderalismus und Landesparlamentarismus, Band 12, ISBN 978-3-923150-27-4, online (PDF; 767 kB).
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 386–387.
  • Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919–1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1, Nr. 915.

Weblinks

  • Literatur von und über Carl Ulrich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Carl Ulrich in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
  • Ulrich, Carl Theodor Johann. Hessische Biografie. (Stand: 3. August 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  • tabellarische Lebensdaten und Zitat bei SPD Offenbach
  • Carl Theodor Johann Ulrich. Abgeordnete. In: Hessische Parlamentarismusgeschichte Online. HLGL & Uni Marburg, abgerufen am 14. Juni 2023 (Stand 2. Juni 2023). 

Einzelnachweise

  1. Verfassung des Volksstaates Hessen
Regierungschefs des Großherzogtums Hessen und des Volksstaates Hessen

(Präsidenten des Gesamtministeriums des Großherzogtums Hessen) Karl von Grolman | Karl du Thil | Heinrich von Gagern | Carl Wilhelm Zimmermann | Heinrich Carl Jaup | Reinhard von Dalwigk | Friedrich von Lindelof | Karl Hofmann | Julius Rinck von Starck | Jakob Finger | Carl Friedrich Rothe | Carl von Ewald – (Staats-/Ministerpräsidenten des Volksstaates Hessen) Carl Ulrich | Bernhard Adelung – (Nationalsozialismus) Ferdinand Werner | Philipp Wilhelm Jung

Landtagsabgeordnete von Offenbach (Großherzogtum Hessen)

Philipp Casimir Krafft (1820–1824) | Anton André (1826–1830) | Friedrich Schenck (1832–1833) | Frédéric Pfaltz (1834) | Peter Georg d’Orville (1835–1841) | Valentin Otto (1841–1849) | Eduard Gölzenleuchter (1849) | August Metz (1850–1856) | Ludwig Ewald (1856–1862) | Joseph Hillebrand (1862–1865) | August Ludwig Kugler (1865–1866) | Carl Johann Hoffmann (1866–1872) | Friedrich Greim (1872–1874) | Hermann Weber (1874–1878) | Gustav Böhm (1878–1888) | Hermann Weber (1888–1896) | Carl Ulrich (1897–1918) | Leonhard Eißnert (1911–1918) für den neuen WB Offenbach II

Christian Lauteren (1820–1824) | Peter Mayer (1826–1830) | Heinrich Trommler (1832–1834) | Peter Mayer (1834–1841) | Heinrich Daniel Städel (1841–1842) | Clemens Lauteren (1844–1847) | Franz Zitz (1847–1849) | Georg Schmitz (1849–1850) | Joseph Hillebrand (1851–1856) | Franz Anton Probst (1856–1862) | August Metz (1862–1866) | Georg Oechsner (1866–1878) | Karl Bockenheimer (1878–1880) | Arnold von Jungenfeld (1880–1884) | Jakob Schlenger (1884–1885) | Carl Ulrich (1885–1896) | Philipp Haas (1897–1903) | Bernhard Adelung (1903–1908) | Adam Joseph Schmitt (1908–1918)

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Personendaten
NAME Ulrich, Carl
KURZBESCHREIBUNG deutscher Politiker (SPD), MdR und erster Ministerpräsident des „Volksstaates Hessen“ (1919–1928)
GEBURTSDATUM 28. Januar 1853
GEBURTSORT Braunschweig
STERBEDATUM 12. April 1933
STERBEORT Offenbach am Main