Gerrit Schulte

Gerrit Schulte
Gerrit Schulte (1964)
Gerrit Schulte (1964)
Zur Person
Vollständiger Name Gerardus Bernardus
Maria Schulte
Geburtsdatum 7. Januar 1916
Sterbedatum 26. Februar 1992
Nation Niederlande Niederlande
Disziplin Bahn (Ausdauer) / Straße
Wichtigste Erfolge
UCI-Bahn-Weltmeisterschaften
1948 Regenbogentrikot – Einerverfolgung
Letzte Aktualisierung: 22. Februar 2017

Gerardus Bernardus Maria „Gerrit“ Schulte (* 7. Januar 1916 in Amsterdam; † 26. Februar 1992 in ’s-Hertogenbosch) war ein niederländischer Profiradrennfahrer. Er war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg einer der populärsten Radsportler seines Landes.[1]

Familie und Jugend

Gerrit Schulte wurde in Amsterdam als Sohn des Schneiders Henricus Johannes Josephus Schulte und von dessen Frau Margaretha Elisabeth Schouten in ärmliche Verhältnisse geboren.[2]

In seiner Jugend war Schulte ein „brutale, onhandelbare Amsterdamse straatjongen“ („ein gewalttätiger, widerspenstiger Amsterdamer Straßenjunge“). Nach der Schule war er in wechselnden Anstellungen als Hilfsarbeiter tätig, wurde jedoch meistens nach kurzer Zeit gekündigt. Er arbeitete jedoch gerne als Auslieferer für einen Metzger, da er dabei mit dem Fahrrad unterwegs war. Als Mitglied des Fahrradvereins ARC Ulysses verhielt er sich anfangs so unangenehm, dass er sogar eine Zeitlang suspendiert wurde. Sein Talent war jedoch unübersehbar.[2]

Sportliche Laufbahn

Gerrit Schulte war als Rennfahrer von 1935 bis 1960 aktiv. 1935 gewann er sein erstes Rennen für Amateure, die Zeeuwse jaarbeursronde in Middelburg, sein erster internationaler Start folgte im Jahr darauf beim Prix d'Europe in de Jardin des Tuileries. 1936 vertrat er die Niederlande bei den Olympischen Sommerspielen in Berlin, konnte jedoch das olympische Straßenrennen nicht beenden. Die niederländische Mannschaft kam nicht in die Mannschaftswertung.

Im Anschluss an die Spiele zog Schulte die Aufmerksamkeit des Kaufmanns Jan van der Kleij aus Den Bosch (’s-Hertogenbosch) auf sich. Dieser kümmerte sich fortan um Schulte, der in der Folge ruhiger und disziplinierter wurde. 1938 heiratete er van der Kleijs’ Tochter Katharina Petronella Maria (1920–2011), genannt „Toos“, und zog nach Den Bosch. Das Ehepaar bekam zwei Söhne und eine Tochter.[2][3]

1937 erhielt Schulte seinen ersten Vertrag als Profi beim französischen Rennstall Dilecta-Wolber. Seinen ersten Profi-Start hatte er beim Grand Prix des Nations, wo er Platz vier belegte. 1938 startete er bei der Tour de France, gewann die dritte Etappe, gab aber nach acht Tagen auf und beschloss, nie wieder bei der Tour zu starten. Außerdem hatte er eine Geldstrafe – eine von vielen weiteren in seiner Karriere – zahlen müssen, weil er einen Konkurrenten geschlagen hatte, weshalb seine Teilnahme an der Tour sich nicht finanziell auszahlte.[2] Er entschied, künftig nur noch solche Rennen zu fahren, bei denen ihm schon das Startgeld ein gutes Auskommen bescherte.[2] 1941 wurde Schulte für ein Jahr gesperrt: Er hatte bei einem Viertagerennen in Antwerpen, das er gewonnen hatte, einen Kommissär niedergeboxt, der eine Strafrunde gegen ihn verhängt hatte.[2] Bis 1944 startete er bei Rennen im deutsch besetzten Westeuropa; da er wie die meisten Rennfahrer Radsport betrieb, um der Armut zu entkommen, war für ihn allein der finanzielle Aspekt ausschlaggebend. Später gab er vor, nicht gewusst zu haben, was in Deutschland vor sich ging.[2]

Im selben Jahr sah ihn der französische Journalist Gaston Bénac bei dem Rennen Antwerpen-Gent-Antwerpen, der ihn als „fou pédalant“ (radelnder Narr) beschrieb, da sein Fahrstil kämpferisch und stetig auf Angriff ausgerichtet war, ihm es aber an Sinn für Taktik und Strategie fehlte. Dabei vergeudete er oft seine Kräfte, weshalb er niemals ein wirklich großes Rennen gewann.[2] In den Niederlanden wurde er wegen seiner kräftigen großen Statur auch De Bossche Reus (Riese aus Den Bosch) genannt.[4]

Seinen größten Erfolg feierte Schulte 1948, als er in Amsterdam Weltmeister in der Einerverfolgung auf der Bahn wurde und dabei im Finale den favorisierten Fausto Coppi schlug. Zuvor hatte er im Verfolgungsturnier Willy Kemp, Kay Werner Nielsen und Hugo Koblet bezwungen.[5] 1947 unterlag er im Kampf um die Bronzemedaille gegen Hugo Koblet.

Bei den UCI-Straßen-Weltmeisterschaften 1946 belegte er Rang fünf im Straßenrennen, ebenso 1949; 1950 wurde er Vierter. 1956 schaffte er es auf das Podium und errang die Bronzemedaille im Straßenrennen, zeitgleich hinter den beiden Belgiern Rik Van Steenbergen und Rik Van Looy.

Neunmal wurde Schulte niederländischer Meister in der Einerverfolgung und dreimal nationaler Straßenmeister. Er startete zudem bei insgesamt 73 Sechstagerennen, von denen er 19 gewann, die meisten davon gemeinsam mit Gerrit Boeijen, mit dem er sich 1949 zerstritt[2], und anschließend mit Gerard „Gerrit“ Peters. Insgesamt errang er 100 Siege auf der Straße und 200 auf der Bahn.[3] Er beschloss seine Radsportlaufbahn im Alter von 44 Jahren mit einem Sieg beim Sechstagerennen von Antwerpen im Jahre 1960.

Nach dem Radsport

Schon 1948 hatte Schulte daran gedacht, seine Radsportlaufbahn zu beenden. Als er 1951 das Restaurant De Vliert im Fußballstadion von Den Bosch übernahm, wollte er erneut aufhören, überlegte es sich jedoch auf Drängen seiner Frau anders, die ihm die Arbeit im Restaurant weitmöglichst aus der Hand nahm. Mehrere Versuche, als Funktionär tätig zu werden, misslangen: So war er 1964 Leiter der niederländischen Mannschaft bei der Tour de l’Avenir, jedoch beklagten sich die Fahrer beim niederländischen Radsportverband Koninklijke Nederlandsche Wielren Unie (KNWU) über seine Schimpftiraden.[6] 1972 zog er sich aus dem Restaurantbetrieb zurück und widmete sich vorrangig seinen Hobbys, dem Angeln, der Jagd und der Taubenzucht. 1992 erlitt er in seinem Garten einen Herzanfall, an dem er starb.[2]

1960 wurde Schulte als Ritter des Ordens von Oranien-Nassau ausgezeichnet und von seinem Wohnort Den Bosch mit dem „Ehrenpfennig in Silber“ geehrt.

Obwohl Gerrit Schulte für seinen aufbrausenden und herrischen Charakter bekannt war, wurde er als verlässliche Führungsfigur (wielergeneraal) respektiert. Für viele war er ein Vorbild an Leidenschaft und Kampfeslust.[2]

Gerrit Schulte Trofee

Seit 1955 wird dem besten niederländischen Profiradrennfahrer des Jahres die Gerrit Schulte Trofee zuerkannt. Er selbst erhielt sie 1958. Bis zu Schultes Tod wurde diese Trophäe in dessen Restaurant De Vliert im Fußballstadion von Den Bosch übergeben.[2]

Erfolge

Schulte bei seinem letzten Sechstagerennen in Antwerpen

Bahn

1940
  • Sechstagerennen von Antwertpen (mit Gerrit Boeijen)
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1942
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1943
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1944
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1945
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1946
  • Sechstagerennen von Paris (mit Gerrit Boeijen)
1947
  • Sechstagerennen von Gent (mit Gerrit Boeijen)
  • Sechstagerennen von Brüssel (mit Gerrit Boeijen)
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1948
  • Regenbogentrikot Weltmeister – Einerverfolgung
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1949
  • Europameister-Trikot – Zweier-Mannschaftsfahren (mit Gerrit Boeijen)
1950
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1951
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Einerverfolgung
1953
1954
1955

Straße

1938
1939
1944
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Straßenrennen
1948
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Straßenrennen
1949
1950
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Straßenrennen
1951
1953
  • NiederlandeNiederlande Niederländischer Meister – Straßenrennen
1954

Literatur

  • Martin van Daal: Le fou pédalent. Het wielerleven van Gerrit Schulte. Van Kersen, ’s Gravenhage 1960 (niederländisch). 

Weblinks

Commons: Gerrit Schulte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Gerrit Schulte in der Datenbank von Radsportseiten.net
  • Gerrit Schulte in der Datenbank von ProCyclingStats.com
  • Gerrit Schulte in der Datenbank von Olympedia.org (englisch)
  • Biografie von Gerrit Schulte
  • Gerrit Schulte. In: Bossche Encyclopedie. Abgerufen am 23. Februar 2017. 

Einzelnachweise

  1. In hotel Central expositie over Gerrit Schulte. In: Bastion-Oranje. Abgerufen am 22. Februar 2017. 
  2. a b c d e f g h i j k l Marc Kooijmans: Schulte, Gerardus Bernardus Maria (1916-1992). In: Biografisch Woordenboek van Nederland. Abgerufen am 12. November 2013. 
  3. a b Toos [vrouw van Gerrit] Schulte-van der Kleij overleden. In: Bastion-Oranje. 19. Dezember 2011, archiviert vom Original am 23. Februar 2017; abgerufen am 23. Februar 2017 (Originalwebseite nicht mehr verfügbar). 
  4. De Bossche Reus. Cerrit Schulte in het kampioensjaar - PDF. In: docplayer.nl. Abgerufen am 23. Februar 2017 (englisch). 
  5. Illustrierter Radsportexpress. Nr. 35/1948. Express-Verlag, Berlin 1948, S. 279. 
  6. Gerrit Schulte. In: Bossche Encyclopedie. Abgerufen am 23. Februar 2017. 

1946 Gerrit Peters | 1947, 1949 Fausto Coppi | 1948 Gerrit Schulte | 1950, 1951 Antonio Bevilacqua | 1952, 1953 Sydney Patterson | 1954–1956 Guido Messina | 1957–1959 Roger Rivière | 1960, 1961 Rudi Altig | 1962 Henk Nijdam | 1963, 1965, 1966 Leandro Faggin | 1964, 1969 Ferdinand Bracke | 1967 Tiemen Groen | 1968, 1970, 1972, 1973 Hugh Porter | 1971 Dirk Baert | 1974, 1975 Roy Schuiten | 1976 Francesco Moser | 1977, 1978 Gregor Braun | 1979 Bert Oosterbosch | 1980, 1986 Tony Doyle | 1981, 1982 Alain Bondue | 1983 Steele Bishop | 1984, 1985, 1987 Hans-Henrik Ørsted | 1988 Lech Piasecki | 1989 Colin Sturgess | 1990 Watschislaw Ekimow | 1991 Francis Moreau | 1992 Mike McCarthy | 1993, 1995 Graeme Obree | 1994, 1996 Chris Boardman | 1997, 1998 Philippe Ermenault | 1999, 2005, 2006 Robert Bartko | 2000 Jens Lehmann | 2001 Oleksandr Symonenko | 2002 Bradley McGee | 2003, 2007, 2008 Bradley Wiggins | 2004 Sergi Escobar | 2009, 2010 Taylor Phinney | 2011 Jack Bobridge | 2012, 2013 Michael Hepburn | 2014 Alexander Edmondson | 2015 Stefan Küng | 2016, 2018–2020, 2022, 2023 Filippo Ganna | 2017 Jordan Kerby | 2021 Ashton Lambie

1888 H. W. van Raden | 1889 W. G. Delbaere | 1890 Henri Raland | 1891 Carel Koning | 1892 Henk van de Griendt | 1893, 1894 Jaap Eden | 1895, 1896 Willem van der Mey | 1904 Jan de Groot | 1906 Gerrit van Vliet | 1907 Jan Tulleken | 1908 Adrie Slot | 1909, 1914 Chris Kalkman | 1910 Henk Tamse | 1911 Krijn Schippers | 1912 Cees Erkelens | 1913, 1919, 1920 Frits Wiersma | 1915, 1917, 1918, 1921, 1925 Jorinus van der Wiel | 1916, 1926 Klaas van Nek | 1922 Herman Nankman | 1923, 1924 Piet Ikelaar | 1927 Joep Franssen | 1928, 1929 Hans Bockkom | 1930 Janus Braspennincx | 1931, 1934 Cesar Bogaert | 1932, 1935 Marinus Valentijn | 1933 Thijs van Oers | 1936 Kees Pellenaars | 1937, 1942 John Braspennincx | 1939 Janus Hellemons | 1940, 1941 Louis Motké | 1938, 1943, 1945 Theo Middelkamp | 1944, 1948, 1950, 1953 Gerrit Schulte | 1946 Bouk Schellingerhoudt | 1947, 1949 Sjef Janssen | 1951, 1952 Hans Dekkers | 1954 Adri Voorting | 1955 Thijs Roks | 1956, 1957 Wim van Est | 1958 Jef Lahaye | 1959 Piet Damen | 1960, 1961 Bas Maliepaard | 1962 Ab Geldermans | 1963 Peter Post | 1964, 1965 Jo de Roo | 1966 Gerben Karstens | 1967 Sieger disqualifiziert1 | 1968 Evert Dolman | 1969 Jacques Frijters | 1970 Peter Kisner | 1971, 1973 Joop Zoetemelk | 1972 Tino Tabak | 1974 Cees Priem | 1975 Hennie Kuiper | 1976, 1983, 1984 Jan Raas | 1977 Fedor den Hertog | 1978, 1979 Henk Lubberding | 1980, 1982 Johan van der Velde | 1981, 1985 Jacques Hanegraaf | 1986 Jos Lammertink | 1987 Adrie van der Poel | 1988 Peter Pieters | 1989 Frans Maassen | 1990 Peter Winnen | 1991, 1994 Steven Rooks | 1992 Tristan Hoffman | 1993 Erik Breukink | 1995 Servais Knaven | 1996, 1999 Maarten den Bakker | 1997, 1998, 2006 Michael Boogerd | 2000, 2005 Léon van Bon | 2001 Jans Koerts | 2002 Stefan van Dijk | 2003 Rudie Kemna | 2004 Erik Dekker | 2007, 2009 Koos Moerenhout | 2008 Lars Boom | 2010, 2012, 2015 Niki Terpstra | 2011 Pim Ligthart | 2013 Johnny Hoogerland | 2014 Sebastian Langeveld | 2016 Dylan Groenewegen | 2017 Ramon Sinkeldam | 2018, 2020 Mathieu van der Poel | 2019 Fabio Jakobsen | 2021 Timo Roosen | 2022 Pascal Eenkhoorn | 2023 Dylan van Baarle

1 
Sieger Evert Dolman wurde wegen Dopings disqualifiziert.
Personendaten
NAME Schulte, Gerrit
ALTERNATIVNAMEN Schulte, Gerardus Bernardus Maria
KURZBESCHREIBUNG niederländischer Radrennfahrer
GEBURTSDATUM 7. Januar 1916
GEBURTSORT Amsterdam, Niederlande
STERBEDATUM 26. Februar 1992
STERBEORT ’s-Hertogenbosch, Niederlande