Harzrundfahrt

Täve Schur im Interview mit Heinz Florian Oertel bei der Harzrundfahrt 1960

Die Harzrundfahrt (auch: Harz-Rundfahrt) ist ein deutsches Straßenradrennen rund um und durch den Harz. Es ist der zweitälteste deutsche Klassiker nach Rund um Berlin.

Geschichte

1906 wurde das Eintagesrennen zum ersten Mal unter dem Titel „Rund um den Harz“ durchgeführt. 1908 wurde der Name in „Harzrundfahrt“ abgeändert.[1] Start und Ziel war Hannover und der Hamburger Wilhelm thom Suden der erste Sieger.[2] Er benötigte für die extrem lange Strecke von angeblich 610 km knapp 31 Stunden. Das ergab eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 20 km/h. Die Länge der Strecke darf angezweifelt werden. Für eine grobe Umrundung des Harzes von Hannover mit Wendepunkt bei Mansfeld, auf den Straßen seiner Zeit, würden gut 400 bis 420 km zusammenkommen. Das ergäbe eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 13–15 km/h. Das erscheint mit der Radtechnik der Zeit realistischer. Gefahren wurde auf unbefestigten Straßen, die bei Regen eine Zumutung darstellten. Eine individuelle Betreuung der Akteure nach heutigen Maßstäben gab es nicht, ebenso wenig einen Materialwagen, eine Gangschaltung (sie war noch gar nicht erfunden) oder Rennkleidung.[3]

Aus dieser Pionierzeit des Radsports gibt es eine handschriftliche Notiz: „… ab Wilhelmshöhe (bei Halberstadt) zog ein Gewitter auf, welches sich in Blankenburg entlud. Einige Rennfahrer flüchteten in Gaststätten und hatten hinterher einigen Ärger, weil sie gar kein Geld beihatten. Ich stand mit einem Berliner und einem Fahrer aus Bielefeld in einer Veranda. Das Gewitter verzog sich, und nun fingen die schweren Berge an. Wurzeln, Äste und freigespülte Steine lagen im Weg. Es kam, wie es kommen musste, mein Vorderreifen hauchte die Luft aus. Da es noch runter bis Sangerhausen ging und ich meinen Reservereifen bereits aufgebraucht hatte, entschloss ich mich, aufzugeben und umzukehren.“ Einige Rennfahrer, deren Räder bei einem Sturz unbrauchbar geworden waren, mussten mit dem Zug nach Magdeburg zum Start- und Zielort zurückfahren.[3]

Von 1926 bis 1998 war Magdeburg Start- und Zielort.[3] Die Harzrundfahrt 1930 war das erste Rennen, bei dem die Amateure des BDR (Bund Deutscher Radfahrer) und VDRV (Verein Deutscher Radsport-Verbände) gemeinsam ein Rennen bestritten. Amateure und Berufsfahrer bestritten das Rennen gemeinsam. Die in der Spitzengruppe verbliebenen Amateure wurden kurz vor dem Ziel angehalten, damit die Profis das Finale unter sich austragen konnten.[4] In einigen Jahren veranstaltete auch der Bund Deutscher Radfahrer eine Harzrundfahrt mit Start und Ziel in Goslar.[5]

1952 fand das Rennen als 1. Lauf der DDR-Straßen-Radmeisterschaften statt. Im Zeitraum von 1974 bis 1987 wurden sieben Etappen der DDR-Rundfahrt als Harzrundfahrt deklariert, teils auch unter abweichenden Namen wie „Rund im Harz“, „Quer durch den Harz“, „Harzquerfahrt“, „Dessau–Nordhausen“ u. a.

Zu den bekanntesten Siegern des Rennens gehören Gustav-Adolf Schur, der das Rennen viermal gewann (1955, 1956, 1959 und 1960), und Jan Ullrich (1994).[6]

2008 wurde die Harzrundfahrt als Teil der Rad-Bundesliga durchgeführt. Die Strecke mit Start und Ziel in Wernigerode führte durch den sachsen-anhaltischen Teil des Harzes. Ausrichtender Verein war der Harzer Radsportclub Wernigerode. Seit 2016 wurde das Rennen nicht mehr ausgetragen. Es gibt Bestrebungen die Harzrundfahrt 2025 oder 2026 wiederzubeleben. Mit der Harzumrundung als Harzer Radmarathon folgt man den legendären Wegen der damaligen Erstausrichtung.

Palmarès

  • 2016–2024 nicht ausgetragen
  • 2015 Deutschland Immanuel Stark
  • 2014 Deutschland Eduard Schwarzkopf
  • 2013 Deutschland Maximilian Beyer
  • 2012 Deutschland Florian Stosius
  • 2011 Deutschland Henner Rödel
  • 2010 Deutschland Jacob Fiedler
  • 2009 Deutschland Sebastian Hans
  • 2008 Deutschland Erik Mohs
  • 2007 Deutschland Sebastian Heinrichs
  • 2006 Deutschland René Obst
  • 2005 Deutschland Paul Martens
  • 2004 Deutschland Thomas Fothen
  • 2003 Deutschland Robert Bengsch
  • 2002 nicht ausgetragen
  • 2001 ItalienItalien André Kalfack
  • 2000 Deutschland David Kopp
  • 1999 Deutschland Jörg Förster
  • 1998 Deutschland Torsten Nitsche
  • 1997 nicht ausgetragen
  • 1996 Deutschland Andreas Lebsanft
  • 1995 Deutschland Jens Voigt
  • 1994 Deutschland Jan Ullrich
  • 1993 Deutschland Ralf Schmidt
  • 1992 Deutschland Mike Weißmann
  • 1991 Deutschland Hagen Bernutz
  • 1988–1990 nicht ausgetragen
  • 1987 Deutschland Demokratische Republik 1949 Uwe Ampler
1987 Deutschland Demokratische Republik 1949 Jens Heppner
  • 1986 nicht ausgetragen
  • 1985 Deutschland Demokratische Republik 1949 Uwe Raab
  • 1979–1984 nicht ausgetragen
  • 1978 Polen Adam Jagla
  • 1977 nicht ausgetragen
  • 1976 Deutschland Demokratische Republik 1949 Bernd Drogan[7]
  • 1975 nicht ausgetragen
  • 1974 Deutschland Demokratische Republik 1949 Hans-Joachim Hartnick
1974 Deutschland Demokratische Republik 1949 Wolfgang Gansert[8]
  • 1967–1973 nicht ausgetragen
  • 1966 Deutschland Demokratische Republik 1949 Bernd Knispel
  • 1965 Deutschland Demokratische Republik 1949 Günter Hoffmann
  • 1964 Deutschland Demokratische Republik 1949 Lothar Lingner
  • 1963 Deutschland Demokratische Republik 1949 Rainer Marks
  • 1962 Deutschland Demokratische Republik 1949 Andreas Purho
  • 1961 Deutschland Demokratische Republik 1949 Klaus Kellermann
  • 1960 Deutschland Demokratische Republik 1949 Gustav-Adolf Schur[9]
  • 1959 Deutschland Demokratische Republik 1949 Gustav-Adolf Schur
  • 1958 Deutschland Demokratische Republik 1949 Erich Hagen
  • 1957 Deutschland Demokratische Republik 1949 Roland Henning
  • 1956 Deutschland Demokratische Republik 1949 Gustav-Adolf Schur
  • 1955 Deutschland Demokratische Republik 1949 Gustav-Adolf Schur
  • 1954 Deutschland Demokratische Republik 1949 Rudi Kirchhoff
  • 1953 nicht ausgetragen
  • 1952 Deutschland Demokratische Republik 1949 Heinz Jacob
  • 1951 nicht ausgetragen
  • 1950 Deutschland Demokratische Republik 1949 Erich Schulz
  • 1949 Deutschland Demokratische Republik 1949 Walter Dietrich
  • 1943–1948 nicht ausgetragen
  • 1942 Deutsches Reich NS Werner Fritzsche
  • 1941 Deutsches Reich NS Walter Richter
  • 1940 Deutsches Reich NS Karl Kittsteiner
  • 1939 Deutsches Reich NS Fritz Scheller (P)
1939 Deutsches Reich NS Alfred Siegel (A)
1938 Deutsches Reich NS A. Pütter (A)
1937 Deutsches Reich NS Herbert Hackebeil (A)
1936 Deutsches Reich NS Fritz Scheller (A)
1936 Deutsches Reich NS Willi Hupfeld (A)
1935 Deutsches Reich NS Hans Heller (A)
1974 NS-Staat Fritz Scheller (A)
  • 1931–1933 nicht ausgetragen
  • 1930 Deutsches Reich Hermann Buse (P)
1930 Deutsches Reich Walter Hoffmann (A)
1930 Deutsches Reich Erich Lucas (A)
1929 Deutsches Reich A. Oberhaupt (A)
  • 1928 Deutsches Reich Richard Feder (P)
1928 Deutsches Reich Stübecke (A)
1926 Deutsches Reich Max Günther (A)
  • 1923–1925 N.N.[10]
  • 1922 Deutsches Reich Ernst Rohde
  • 1921 Deutsches Reich Ernst Hartmann
  • 1920 Deutsches Reich Ernst Hartmann
  • 1909 Deutsches Reich Gabriel
  • 1908 Deutsches Reich Johann Hohe
  • 1907 nicht ausgetragen
  • 1906 Deutsches Reich Wilhelm thom Suden

P=Profis; A=Amateure

  • Website Harzrundfahrt
  • Website Harzumrundung
  • Harzrundfahrt auf cycling4fans.de
  • Harzrundfahrt auf radsportonline.com
  • Harz-Rundfahrt in der Datenbank von Radsportseiten.net
  • Harzrundfahrt in der Datenbank von FirstCycling.com

Anmerkungen

  1. Fredy Budzinski: Sport-Album der Rad-Welt. Verlag der Rad-Welt, Berlin 1909, S. 91. 
  2. Die BESTEN der Harzrundfahrt 2014. Abgerufen am 10. Juni 2023. 
  3. a b c Günter Grau: 1. Harzrundfahrt 1906 – Sieger Wilhelm tohm Suden. In: radsportonline.com. 2006, abgerufen am 8. März 2023. 
  4. 1930 Harz-Rundfahrt. Abgerufen am 10. Juni 2023. 
  5. Illustrierter Radsport. Nr. 1951/31. Sportverlag, Berlin 1951, S. 2. 
  6. Mythos Täve. Abgerufen am 10. Juni 2023. 
  7. Drogan wird als Sieger geführt, da sein Sieg auf der 8. Etappe der DDR-Rundfahrt zugleich als Sieg der Harzrundfahrt gewertet wurde.
  8. Hartnick und Gansert werden beide als Sieger geführt, da Hartnicks Sieg auf der 6. und Ganserts Sieg auf der 7. Etappe der DDR-Rundfahrt ebenfalls als Siege der Harzrundfahrt gewertet wurden, es also 1974 zwei Austragungen gab.
  9. 17. Juli 1960; 2. Platz: Erich Hagen; 3. Platz: Guido De Rosso.
  10. Es wurden sogenannte Harzquerfahrten durchgeführt, deren Sieger nicht bekannt sind.